Blick über einen Fluss

Lassen sich verschiedene Bauphasen unterscheiden?

Der Westwall ist nicht in einem Guss entstanden. Immer wieder gab es Planänderungen.
So lassen sich z. B. aufgrund verändernder politischer Bedingungen, der jeweiligen geografischen Beschaffenheit oder sich wandelnder wirtschaftlicher Voraussetzzungen verschiedene Bauphasen unterscheiden.  

Phase 1: Bunker bauen in Einklang mit Versailles

Schon die Weimarer Republik baute Bunker ab 1925 in befestigten Zonen und Linien, und zwar in den "Ostbefestigungen" in der Provinz Ostpreußen, in Pommern und an der Oder.

Doch schon kurz nach der Machtergreifung erhielt die Reichswehr deutlich mehr Mittel und konnte 1934 anfangen mit Planungen für zwei Befestigungslinien die sogenannten "Westbefestigungen": Die "Neckar-Enz-Stellung" vor Stuttgart (Baubeginn ab 1935) und die "Wetterau-Main-Tauber-Stellung" (Baubeginn ab 1936) hinter Frankfurt.

Beide Stellungen sollten zusammen mit der "Bayerisch-Tschechischen Grenzstellung" eine Zweiteilung des Reiches durch Frankreich und die Tschechoslowakei verzögern.

Phase 2: Sicherung

Mit den 156 Bunkern des ersten Baujahres 1936 zwischen der luxemburgischen und der Schweizer Grenze versuchte die Wehrmacht, örtlich strategisch wichtige Brücken oder Straßen zu sichern, doch der Großteil der Bunker ging in den "Ettlinger Riegel", eine neue Bunkerlinie bei Karlsruhe, um das Rheintal blockieren zu können.

Die Standardisierung von kleinen Bunkern für Maschinengewehre oder nur als passive Unterstände für Truppen mündete in der Entwicklung der "Regelbauten".

Phase 3: Das Konzept "Festungsbau"

1937 bis Mai 1938 war geprägt von den Vorbereitungen für den Bau von Befestigungszonen mit unterschiedlichen Widerstandsklassen. Die stärkste davon, der "Festungsbau", war im heutigen Rheinland-Pfalz für die historisch militärisch bedeutsamen Korridore bei Trier, zwischen Zweibrücken und Pirmasens und zwischen dem Pfälzerwald und dem Bienwald bei Bad Bergzabern vorgesehen.

Dort wurde der Bau von "B-Werken" angefangen, wobei "Werke" als autark operierende, mehrstöckige Bunker entworfen wurden, die auf die Versorgung aus einem unterirdischen Tunnelsystem angewiesen waren.

Phase 4: Die Verlängerung nach Norden

Anfang 1938 wurde über das bisherige nördliche Ende mit den beiden B-Werken bei Irrel (nordwestlich Trier) hinaus eine neue Trasse durch das Prümtal nach Norden geplant und erste Bunker wurden angefangen auf dem Gebiet des heutigen Landes NRW.

Hier sollte eine grenznahe dünne "Sperrlinie" als "Vorstellung Aachen" und eine davon abgesetzte stärkere Linie als die "Stellung Brüggen-Ormont" entstehen.

Diese Phase wurde ab Juni überlagert von der Nächsten.

Phase 5: Konzeptwechsel mit dem Limesbauprogramm

Ein gesprengter Turm aus Beton ragt schräg aus dem Waldboden noch einige Meter in die Luft.

Hitler verwarf alle bisherigen Planungen und Konzepte für Befestigungszonen mit unterschiedlichen Widerstandsklassen, Werken und Regelbauten, die erst 1952 fertig geworden wären.

Stattdessen forderte er bis Oktober 1938 11.800 technisch einfachere und noch stärker standardisierte Regelbauten in einem adaptierten Konzept "Stellungsausbau", die zwar von der Wehrmacht geplant, aber fortan von der Organisation Todt (OT) gebaut werden sollten.

Phase 6: Das "Aachen-Saar-Programm"

Oktober 1938, also nach dem Ende der Sudetenkrise und dem erfolgten Einmarsch der Wehrmacht in das Sudetenland, verkündete Hitler das "Aachen-Saar-Programm" und forderte den Bau von Bunkerlinien vor den Städten Aachen und Saarbrücken.

Obwohl noch im Oktober im Saarland einige wenige Bunker und in der Eifel Höckerlinien angefangen wurden, dauerte es bis zum Februar 1939, als mit der Herausgabe von neuen, größeren Regelbauten tatsächlich umfänglich in den neuen Bunkerlinien gebaut wurde.

Phase 7: Die "Kriegsregelbauten"

Bad Bergzabern, MG-Stand

September 1939 war der Westwall bei Weitem nicht fertiggestellt. Die chaotischen Baustellen aus dem "Limesbauprogramm" (Phase 5) waren zwar endlich abgearbeitet worden, jedoch waren die neuen Stellungen aus der 6. Phase noch voll im Bau.

Der Polenfeldzug und der Sitzkrieg führten zu einer weiteren Verknappung von Baumaterial, und so wurden neue, kleinere, sparsamere "Regelbauten" eingeführt.

Damit wurden in der Pfalz die "Fischbachstellung" als weitere grenznahe Stellung ausgebaut und im Saar-Mosel-Dreieck mit dem "Orscholzriegel" und sogar südlich von Saarbrücken auf französischem Territorium mit der "Spichernstellung" weitere neue vorgeschobene Befestigungslinien angefangen.

Phase 8: Der Westfeldzug

Kurz vor und während der Kampfhandlungen dienten die Bunker als schützende Infrastruktur für die versammelten deutschen Truppen. In der Pfalz wurde bei Pirmasens und Bad Bergzabern schwere Artillerie für den Beschuss von Werken der Maginotlinie im Bereich des Westwalls aufgestellt.

Die Bautätigkeit kam zum Erliegen. In den Sommermonaten von 1940 wurden die noch vorhandenen Baustellen entweder fertig gestellt, als Baugruben aufgegeben oder wieder zugeschüttet.

Nach dem Westfeldzug wurde die Einrichtung aus den meisten Bunkern entfernt und teilweise für neue Befestigungen an die Atlantikküste gebracht. Die zahlreichen Laufgräben und Drahthindernisse wurden noch bis in 1941 hinein abgebaut.

Phase 9: Die Wiederbewaffnung

Ab August 1944 wurde versucht, den Westwall wieder mit Waffen, Munition, Einrichtung, Vorräten und Feldstellungen auszurüsten, was jedoch nur sehr schleppend vorankam. Dennoch entstanden örtlich auch neue Bunker und neue Feldstellungen mit Kleinstbunkern.

Im Saarland und in der Pfalz wurden die Bunkerlinien mit zahlreichen betonierten Schützenlöchern, den "Kochständen", verstärkt. Viele Kilometer Laufgräben und Panzergräben mussten von Ortsansässigen und Zwangsarbeitern ausgehoben werden. Jedoch zum Winter 1944/45 erstarrten diese Aktivitäten, teilweise schon im Frontgebiet.